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Atlantropa – vom Kochler Walchensee-Kraftwerk zum Vereinigungsplan zweier Kontinente – 2003

Am Sa., 28. Juni 2003

Die Einladung von Susanne Vogelwedde - damaliger Freundin von unserem Golf-Freund Heribert Merl aus dem St. Eurach Land- und Golfclub - fand in einer imposanten Location statt. Im grandiosen Wasserschloß des Walchenseekraftwerks, für das der in Kochel lebende Heribert verantwortlich ist, existiert eine riesige Terrasse vor dem Turbinenhaus mit phänomenalen Ausblick. Das Kraftwerk liegt am Bergrücken zwischen Kochelsee und Walchensee und - seit dem es im Jahr 1994 privatisiert wurde - im Besitz der E.ON Wasserkraft GmbH. Es steht Besucherinnen und Besuchern offen. Bei einer interessanten Führung durch dieses Spitzenlastwerk erfahren wir vieles rund um Technik, Architektur und Geschichte dieses technisch-historischen Juwels. Es folgt ein schöner Abend, mit gutem Essen und angeregten Gesprächen in dieser grandiosen Kulisse bevor es dann mit einer kleinen Standseilbahn wieder zurück nach unten an den Kochelsee geht.

Mit dabei
  • Heribert Merl, Michael Kamm

Im Januar 1924 drehte sich nach knapp 5-jähriger Bauzeit die erste Turbine im Walchenseekraftwerk, das auf Anregung von Oskar von Miller geplant wurde. Noch heute ist das Walchenseekraftwerk mit einer Leistung von 124 Megawatt und einer Jahreserzeugung von rund 300 Mio. Kilowattstunden Strom (300 GWh) eines der größten Speicherkraftwerke Deutschlands.  An der Kesselbergstraße zwischen Kochel- und Walchensee liegt das erste Hochdruckspeicher-Kraftwerk Deutschlands. Es wurde 1923 von Oskar von Miller erbaut. Er war ein Vordenker, der mit Hilfe des Höhenunterschieds zwischen Walchen- und Kochelsee elektrische Energie gewinnen wollte. Die Elektrifizierung Bayerns, insbesondere der Bahn, sollte damit voranschreiten. Das Walchensee-Kraftwerk mit einer Leistung von 124 MW gehört bis heute zu den größten seiner Art in Deutschland. Es nutzt die Wasserkraft bei einem Gefälle von etwa 200 Metern zur Stromerzeugung. Ist das Kraftwerk in Betrieb, kann der Wasserspiegel des Walchensees um ca. sechs Meter gesenkt werden. Dies entspricht einem Speicherraum von 110 Mio. Kubikmetern. Damit zählt es zu den größten Speicherkraftwerken, jedoch nicht zu den sog. Pumpspeicherkraftwerken, da das Wasser nicht in den See zurückgeführt wird. Dienstags findet von Juni bis Oktober immer um 16 Uhr ein kostenloser Rundgang mit Fachpersonal statt. Eine Voranmeldung für Gruppen ist stets erforderlich.

Aus der Vogelperspektive kann man sich eine Vorstellung vom Gefälle machen und dadurch auch einschätzen, mit welcher Kraft das Wasser durch den großen Röhren zu Tale strömt

Es gibt eine sagenhafte Geschichte, die entfernt etwas mit diesem Wasserkraftwerk zu tun hat: Von der Wasserkraft und deren Möglichkeiten war Herman Sörgel, der in seinem Leben nur ein einziges Ziel hatte, geradezu besessen: die Verwirklichung seiner gigantischen Vision. Vor 90 Jahren begann der Münchner Architekt von dem neuen Kontinent Atlantropa zu träumen, einer unglaublichen Utopie. Sein Vater, Hans Ritter von Sörgel, hatte es zum Chef der königlich-bayerischen Bauverwaltung gebracht – er war am Bau des Walchenseekraftwerks beteiligt.

Das Großprojekt „Atlantropa“ „Man sitzt einem eleganten Herrn gegenüber. Keinem Typ eines deutschen Gelehrten, eher vielleicht einem kultivierten Musiker oder einem Diplomaten, der, obgleich mit grauen Haaren, seinen Körper durch Sport jung erhielt. Ein interessanter Mensch – dieser Herman Sörgel, dessen Gehirn sicher mit Europas größter Idee beschäftigt ist.“ Mit diesen Worten äußerten sich 1932 die Bremer Nachrichten über den deutschen Architekten und Schriftsteller Herman Sörgel (1885-1952), der mit seinem gigantischen Projekt „Atlantropa“ die Kontinente Europa und Afrika wirtschaftlich, politisch und geographisch verbinden wollte. Über Sörgel selbst ist nur wenig bekannt, da dieser sich in Bezug auf seine Person sehr bedeckt hielt. So wurde auch nie eine Biographie über ihn veröffentlicht. Herman Sörgel wurde als Sohn des Bauamtmanns und Amtsvorstehers Hans Sörgel am 2. April 1885 in Regensburg geboren. Geprägt durch seinen Vater, studierte er an der Technischen Hochschule in München Architektur und schloss sein Studium als Diplomingenieur 1908 ab. Dank seines Vaters, der als Baumeister die Planung des Walchenseewerks, damals die größte Einheit von Talsperre und Kraftwerk, leitete und bereits zahlreiche Korrektionsarbeiten an den Flussläufen von Lech und Inn vornahm, wurde Herman Sörgel erstmals mit der Manipulation von Gewässern und dem Bau von Wasserkraftwerken konfrontiert.[8] Aufgrund dieser und zahlreicher anderer Erfahrungen, auf die im folgenden Abschnitt näher eingegangen wird, entwickelte Sörgel sein Mittelmeer-Projekt. Trotz des Verbots der weiteren Propaganda für sein Projekt unter den Nationalsozialisten, führte er seinen Plan auch nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu seinem Unfalltod 1952 energisch fort. So sagte Sörgel über sich selbst: „Das Projekt verdrängte bald alle anderen Interessen und wurde zu meiner Lebensarbeit.“ Neben dem väterlichen Einfluss trug eine Reise nach Amerika 1925 zum Entstehen seines Projekts bei. New York faszinierte ihn von seiner architektonischen Bauweise her, und in Washington beeindruckte ihn das Gebäude der Panamerika-Union so stark, dass er auf die Idee einer ähnlichen Verbindung zwischen den beiden Kontinenten Europa und Afrika kam.1927 veranlasste ihn eine Abhandlung des Ozeanographen Otto Jessen mit dem Titel Die Straße von Gibraltar, in der dieser über die Verdunstung des Mittelmeeres und die Strömungsverhältnisse zwischen Atlantik und Mittelmeer sprach, seine Idee der Zusammenfassung von Europa und Afrika auszubauen. Sörgel wollte die Straße von Gibraltar durch einen Damm abriegeln, damit kein Wasser mehr vom Atlantik ins Mittelmeer fließen konnte. Dadurch sollte das Mittelmeer durch Verdunstung um jährlich 1,65 Meter abfallen. Sörgels Ziel war eine Absenkung des Mittelmeerspiegels um 100 Meter, damit Neuland geschaffen werden konnte. Wasserkraftwerke sollten den Energiebedarf Europas und Afrikas decken. Sörgel kalkulierte in seine Überlegungen ein, dass bei dieser Verdunstungsgeschwindigkeit sein Projekt frühestens in 50 bis 80 Jahren verwirklicht werden könnte. Es stellt sich die Frage, ob er sich auch Gedanken über weltpolitische und technische Veränderungen während dieser Zeit gemacht hat, welche dieses Projekt vielleicht zum Scheitern gebracht hätten. Sein 1929 zunächst „Panropa“ genanntes Projekt zielte auf einen geeinten Superkontinent ab, der Europa und Afrika politisch und geographisch zusammenfassen sollte. Unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges wurde Sörgel zum Pazifisten und sprach sich dafür aus, dass „in Europa eine Situation geschaffen werden muss, die den schwanken, wackeligen und labilen ‘Frieden’ zu einem tatsächlichen und unentrinnbaren, nicht mehr auflösbaren und stabilen Friedens-Zustand macht.“Bereits 1923 entstand die „Paneuropa-Union“, die auf Drängen von Richard Coudenhove-Kalergi die politische Einigung des europäischen Kontinents anstrebte. Es fanden zwar zwei Konferenzen statt, die über eine Föderation verhandelten, aber es kam nie zu Beschlüssen. Zunächst wählte Sörgel den Namen „Panropa“ für sein Projekt, um die enge Beziehung zur Union deutlich zu machen. Aufgrund juristischer Bedenken wegen der nahen Verwandtschaft der Namen, und um Verwechslungen mit der „Panamerika-Union“ zu vermeiden, entschied sich Sörgel 1932, sein Projekt „Atlantropa“ - „Festland am Atlantik“ - zu nennen. Auch warf er ihr Schwäche und Versagen vor. Des Weiteren wurde Sörgel vom Philosophen Oswald Spengler inspiriert. Dieser sprach in seinem Werk Untergang des Abendlandes vom Niedergang der westlich-abendländischen Kultur durch Überbevölkerung. Sörgel sah in seinem „Atlantropa“-Projekt die Lösung des Problems der Überbevölkerung, somit die Apokalypse Spenglers verhinderbar. Durch die Mittelmeerabsenkung sollte Neuland entstehen, vergleichsweise so groß wie die Fläche Frankreichs, das neuen Lebensraum für die Europäer bedeutete, um das ständig wachsende Bevölkerungsproblem zu lösen. Zunächst beschränkte sich Sörgel mit seinen Plänen ausschließlich auf den Mittelmeerraum und Nordafrika. Erst ab 1935 dehnte er sein Projekt auf Zentralafrika aus…

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