Bandoneons & Faltenbälge – Kempinski Biergarten in Gravenbruch – 1989
Gemeinsam mit Carolina und unserem gerade mal vier Monate alten Kleinkind Larissa besuchen wir unseren Trauzeugen Wolf Mang mit seiner Ehefrau Simone in Obertshausen. Obertshausen liegt im südlichen Teil Hessens unweit von Odenwald und Spessart und dabei sieben Kilometer südöstlich von Offenbach am Main. Der schöne Biergarten, in dem wir einen gemütlichen Nachmittag verbringen gehört zum Hotel Kempinski in Gravenbruch. Wolf hatte gemeinsam mit Simone deren elterliches Unternehmen "Arno Arnold", eine ehemals erfolgreiche Bandoneon Manufaktur, übernommen und dafür auch das das eigene Familienunternehmen Oechsler in Ansbach nie selbst operativ geleitet, sondern fungiert dort bis heute als Vorsitzender des Aufsichtsrates. Wolf und Simone sind seit den ersten Studientagen enge und besonders liebgewonnene Freunde von uns. Das Kempinski Hotel in Gravenbruch, das wir damals das erste Mal kennen gelernt haben ist bis heute das Hotel, in dem Ette und ich immer wieder übernachten, wenn wir in Frankfurt zu tun haben.
- Simone, Constantin und Wolf Mang, Carolina, Larissa und Michael Kamm
Mein alter Studienfreund Wolf mit neuer, stylischer Sonnenbrille.
Hotter than July.
Da ist es in einem Biergarten am besten auszuhalten.
Gut behütet, hübsch gekleidet,
der etwas ältere Constantin wurde auch schick gemacht.
In großer Runde - Wolfs Bruder mit Familie ist ebenfalls mit dabei - schmeckt es doch am Besten!
Das Lächeln für den Fotografen, aka Papa, ist noch etwas verhalten.
Dafür gelingt es der Mama problemlos, trotz Hitze!
Das Bandoneon ist ein Musikinstrument, welches in Deutschland entwickelt und gebaut wurde. Sein Klang, der durch frei schwingende Metallzungen erzeugt wird, hat schon viele Menschen so verzaubert, dass der Wunsch entstand dieses Instrument zu erlernen. Der Name ‚Bandoneon‘ oder ‚Bandonion‘ geht auf den Krefelder Heinrich Band zurück, der (mit anderen) Mitte des 19.Jahrhunderts die Konzertina so erweitert hat, dass das Spielen aller Tonarten möglich war. Das Bandoneon sorgt für den typischen Sound in der argentinischen (südamerikanischen) Tangomusik. Wie es nach Argentinien und Uruguay gelangt ist, wo der Tango schon vorher entstand, ist unklar. Die Legende erzählt von einem Seemann, der sein mitgebrachtes Bandoneon als Bezahlung in einem Bordell lassen musste. Sicher ist aber, dass gerade um 1900 auch viele deutsche Auswanderer nach Argentinien emigrierten, um dort ihr Glück zu suchen. Da das Bandoneon ein in Deutschland viel gespieltes Instrument war, ist es nicht verwunderlich, dass es auch mit in die neue Heimat gebracht wurde. Bald bereicherte es den Tango durch seinen sehnsuchtsvollen Klang, der zu dieser Musik, die ja viel mit Melancholie, Herzschmerz, Sehnsucht zu tun hat, wunderbar passt. Das Bandoneon gehört neben der Konzertina, dem Akkordeon und der Harmonika zur Familie der Handzuginstrumente. Es entwickelte sich zu einem beliebten Volksmusikinstrument, dass in kleinen Kirchen oder zu Begräbnissen sogar die Orgel ersetzen konnte. Durch ein bestimmtes Zahlen- und Zeichensystem (Wäscheleinensystem) war es auch ohne Notenkenntnis leicht zu erlernen. In Deutschland gab es sehr viele Bandoneon-Orchester. Vor der Hitler-Diktatur sogar mehr als Fußballvereine. Besonders im Bereich der arbeitenden Bevölkerung war das Spielen im Verein sehr beliebt. Da diese Orchester im allgemeinen politisch links orientiert waren, wurden Sie im sogenannten Dritten Reich verboten. Das war das Ende der Popularität des Bandoneons in Deutschland. Nach dem 2.Weltkrieg wurde es hier nur noch sporadisch in der populären Musik verwendet. Ganz anders in Südamerika, wo der Tango ohne das Bandoneon nicht mehr denkbar war. Dort wurde es weiterhin gespielt und verehrt. Hergestellt wurden die nach Südamerika exportierten Instrumente zum ganz großen Teil in einem kleinen Ort im Erzgebirge: Carlsfeld in Sachsen. Ab ca. 1864 produzierte dort Ernst Louis Arnold (ELA) Harmonikas, Konzertinas und Bandonions. Ab ca.1910 wurde die berühmteste aller Bandonionfabriken gegründet – die Manufaktur Alfred Arnold. Bandoneons von Alfred Arnold wurden berühmt unter dem Namen AA, Doble A, Premier oder Campo. Ihr Klang ist auch heute noch der Referenzklang für alle Bandoneons, die neu gebaut werden. Alfred Arnold und ELA (mit den Exportmarken America und Echo) exportierten zigtausende Bandoneons nach Argentinien und Uruguay. Auch andere kleinere Hersteller stiegen in diesen profitablen Markt ein Meinel & Herold (Tres B), Hohner (Tango und Cardenal gebaut von ELA), Gebr. Meinel. Gefragt in Südamerika war nur das 142 tönige (manchmal auch 152 tönige) Bandoneon in Oktavstimmung, zweichörig und wechseltönig (verschiedene Töne auf Zug oder Druck) in der rheinischen (argentinischen) Tastenanordnung. Das in Deutschland vor allem gespielte 144 (128) tönige Bandonion blieb in Deutschland. Alfred Arnold baute eine moderne Fabrik, in der die angefragten Mengen auch termingerecht produziert werden konnten. Einzelne Produktionslinien wurden immer auch in Heimarbeit gefertigt. Bis 1948 wurden im AA Werk Carlsfeld noch Bandoneons gebaut, danach übernahm ein volkseigener Betrieb das Werk zur Herstellung u.a. von industriellen Bälgen. ELA produzierte noch bis 1950. Die Firma Arno Arnold baute in Obertshausen noch bis 1970 Bandoneons, allerdings waren diese Instrumente bei Tango-Musikern nicht mehr sehr gefragt. Es wurden sehr bald konische Stimmzungen verbaut, die im Klang eher dem Akkordeon ähnelten. Danach war in Deutschland längere Zeit Schluss mit der Herstellung von Bandoneons. Erst in jüngerer Zeit gibt es verschiedene neue Bandoneonmanufakturen in Deutschland (Premier, Klaus Gutjahr – Berlin, Uwe Hartenhauer, Bandonion- und Concertinafabrik – Klingenthal, Robert Wallschläger – Carlsfeld) oder Harry Geuns in Belgien. Den alten Klang des ‚AA‘ zu erreichen ist dabei immer (bisher unerreichte) das Ziel.
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