Darbende Textil-Industrie in Deutschland – Angeschlagene Ausrüster & Ploucquet Wettbewerber – 2010
Voller Energie war ich Anfang des Jahres in der in Unterföhring ansässigen Sympatex / Ploucquet Gruppe gestartet und wusste sofort - das wird herausfordernd. Die Textil-Industrie war seit Jahren im Slow Motion Rückwärtsgang und man brauchte schon richtig gute Ideen und Konzepte, um den Kopf über der Wasserlinie zu halten. Das galt ganz besonders für die textile Ausrüstungsbranche. Unsere Branche war und ist besonders stark von der Globalisierung der Märkte geprägt. Die Prozessstufen der Textilherstellung, die auch besonders nachhaltige Belastungen für die Umwelt hervorrufen, sind Anbau und Produktion der Rohfasern sowie die Textilveredelung. Und genau das war unser Business. Es galt unser grosses Werk in dem strukturschwachen Zittau in der Lausitz auszulasten und damit Arbeitsplätze zu sichern. Kleinaufträge machten keinen Sinn, denn alleine den Maschinenpark hochzufahren kostete immense Energie. Als ich das erste Mal die Stromrechnungen sah, standen mir die Haar förmlich zu Berge. Also was tun? Wir fuhren zweigleisig. Wir wurden aktiv und gingen in die Acquise. Zum anderen konnte man aber auch passiv sein und einfach abwarten, wie die deutschen Konkurrenten die Segel strichen. Im März fuhr ich mit Richard Lohner, unserem CFO mit profunder Textilerfahrung, unter anderem nach Nordrhein-Westfalen, um nicht nur Kunden zu besuchen, sondern uns auch die Werke einiger angeschlagener Wettbewerber anzuschauen. Cramer, Mosters, OTV und van Delden. Alles durch mittelständische Familienunternehmer geprägte Firmen mit langjährig aufgebauter Expertise und loyalen Mitarbeiter:Innen. Da hingen eine ganze Menge Schicksale dran und es glich einer Leichenfledderei. Wir hätten zwar bei Übernahme das Restgeschäft der Unternehmen abwickeln können, aber danach ohne wirklich Zukunftsperspektive für die Standorte. Denn im Ausrüstungsbusiness wurde in Deutschland einfach nicht mehr kostendeckend gearbeitet. Die Verlagerung der Arbeitsplätze nach Asien war einfach Fakt und somit konnte man dem desaströsen Niedergang der ehemals stolzen deutschen Textilindustrie zuschauen. Für alle Marktteilnehmer schwer zu verdauen. Die Abwärtsspirale ist weiterhin in Bewegung, denn in Corona-Zeiten hat man wahrgenommen, was man überhaupt noch braucht und was völlig überflüssig ist. Fast Fashion bye bye...
- Richard Lohner und Michael Kamm
Die Stadt Ochtrup war seit dem 16. Jahrhundert eine Töpferstadt von besonderem Wert für die Region. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts siedelte sich ebenfalls die Textilindustrie an. Die erste Weberei der angesehenen Ochtruper Familie Laurenz, die 1854 gegründet wurde, existierte noch bis ins Jahr 2011 unter dem Namen „Ochtruper Textilveredlung“ (OTV). Die denkmalgeschützten Produktionshallen des Unternehmens werden seit dem 16. April 2004 als Einkaufszentrum für Textilien genutzt.
Ochtrup ist eine Kleinstadt mit 20.000 Einwohnern im nordwestlichen Münsterland im Grenzgebiet zu Niedersachsen und den Niederlanden. Ein großer Arbeitgeber der Region war Van Delden Fabrics. Traurig, das Familienunternehmen in so einem angeschlagenen Zustand zu sehen
Mosters - damals noch in modernen Gebäuden - heute schon Geschichte
Roter Ziegel ist typisch für die Region. Mit einem modernen Dach sehen die riesigen Produktionshallen gleich tiptop aus
Hier siehts eher nach richtiger Industrie mit qualmendem Schornstein aus. Die hohen Schlote sind Sinnbild für die immensen Energierechnungen der Unternehmen
Cramer & Co. Eine der ältesten deutschen Webereien für Industriestoffe. Ihr Credo: für jede technische Herausforderung gibt es eine textile Lösung
Mehr als 50 Prozent der in Deutschland hergestellten Textilien sind sogenannte technische Textilien. Diese Textilien werden beispielsweise in der Autoproduktion, im Baugewerbe und im Landschaftsbau, in der Medizin und im Umweltschutz eingesetzt. Neben den technischen Textilien werden in Deutschland Bekleidungs- sowie Heim- und Haustextilien produziert. Die Textilindustrie umfasst die Herstellung von Garnen und Zwirnen aus verschiedenen Faserarten, die Herstellung von textilen Flächen und die Textilveredlung. Bei der Veredelung werden diese Flächen zum Beispiel gefärbt, bedruckt und mit besonderen Eigenschaften ausgerüstet. So stammt circa 90 Prozent der in Deutschland gekauften Bekleidung aus dem Import, zum größten Teil aus China, der Türkei und Bangladesch.
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