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Aigner in Signa – Deutsches Hermès im italienischen Paris – 2004

Von Mi., 10. November 2004 bis Do., 11. November 2004

Wenn man an Ledertaschen und Accessoires denkt, denkt man an Italien. Gefühlt ist es die Wiege des Leders - und ganz besonders die Umgebung rund um das toskanische Florenz. Dort reihen sich die italienischen Verwaltungen und Designbüros der großen Marken wie Perlen einer Kette. Oft sieht man sie sogar von der Autobahn Richtung Süden aus. In Signa - ca. 15 km westlich von Florenz - hatten wir unsere italienische Niederlassung und die angeschlossene Modeleria. Dort wurde von der ersten Zeichnung bis hin zum fertigen Musterteil alles 'a mano' gefertigt, bevor es dann abgesegnet und in die Produktion geschickt wurde. Zu meiner Zeit glücklicherweise meist noch in Italien, bzw. maximal mit italienischen Geschäftspartnern in Rumänien. Allein am Geruch des Leders konnte man teilweise erkennen welche Provenienz es hatte. Das hat sich leider alles grundlegend verändert. Unser italienischer Padrone, Leo Giovacchini, hatte seine Famiglia vor Ort fest im Griff und war trotz aller Freundschaft darauf bedacht, sein Ding zu machen. Reklamationen? Da kann doch gar nicht ich gemeint sein. Wenn man eine so lange Partnerschaft gepflegt hat, ist es einfach schön, die Attituden seines Gegenübers bereits im Vorfeld voraussagen zu können und darüber zu schmunzeln. Aigner wollte eigentlich immer in das Luxussegment vordringen, schaffte es aber aus unzähligen Gründen nicht, den Luxusmarken der Branche wie Hermès, Prada, Bottega, Ferragamo und Co nahe zu kommen. Die Granden der Branche hatten daher ab und an nur ein müdes Lächeln für uns, aber das war o.k. Denn wir hatten unseren Platz gefunden und offensichtlich ausreichend Fans, um die Marke am Leben zu halten - bis heute. Johann Stockhammer, der das Design der Marke über lange Jahre hinweg steuerte, war im Headquarter in München ansässig. Sein perfektes Italienisch hat er sich jedoch direkt in der Toskana angeeignet, wo er lange Jahre lebte. Einen Nahezu-Native braucht man einfach, um in die Untiefen der italienischen Seele vorzudringen. Irgendwann wurde das nicht sehr repräsentative, jedoch große Gebäude zu uneffizient für uns und wir verkauften es in 2005. Die Liquidität hat es uns gedankt. Einige Mitarbeiter:Innen jedoch nicht. Der italienische Standort wurde peu à peu verkleinert und am Ende gab es nur noch eine Mini-Modeleria. Von Inspiration für das Design konnte hier leider keine Rede mehr sein!

Mit dabei
  • Michael Kamm, Leo Giovacchini, Johann Stockhammer

Eigentlich architektonisch kein schlechtes Gebäude, jedoch direkt an einer Total Tankstelle gelegen. Man stelle sich die Vermischung des Sprit- und Ledergeruches vor...

Ausreichend schattige Parkplätze für die Mitarbeiter gab es auch. Bei 40 Grad im Sommer war das auch notwendig. Der Padrone hatte natürlich seinen VIP Parkplatz

Warenanlieferung und -ausgang auf der Rückseite. Chinesen zum heimlichen "Abkupfern" standen jedoch keine da, die sind eher in Prato angesiedelt

Schon von weitem zu sehen - das Aigner Logo. Der Würfel mit dem A hatte die gleiche Signalfunktion wie die McDonalds Schilder neben der Autobahn. Höher sollte wenn möglich keines sein - ist doch Ehrensache

Viel Beton, jedoch auch ein wenig Grün rundherum. Das versöhnt das Auge...

In den Kleidern, Jacken, Mänteln steht „Made in Italy“. Und das stimmt sogar. Sonst aber nichts: In der Textilstadt Prato hat sich eine chinesische Parallelwelt gebildet. Sie beschäftigt illegale Arbeiter und macht ihre eigenen Gesetze. Die Straßen hier sind nach Kalabrien und Piemont, Apulien und dem Veneto benannt. Es ist das italienische Viertel – doch Italiener gibt es hier nicht mehr. Im Industriedistrikt der toskanischen Textilstadt Prato reihen sich chinesische Läden aneinander, die verkaufen, was in den rückwärtigen Fabriken produziert wird. Junge Chinesen begleiten potenzielle Einkäufer lächelnd, aber auch misstrauisch zu den Waren. Sie nennen Preise von fünf, sechs, acht Euro pro Kleidungsstück, und sie weisen auf die Etiketten hin, die nach außen geklappt sind: „Made in Italy“ steht da oder: „zu 100 Prozent in Italien gefertigt“. Was stimmt. Aber es ist ein chinesisches Italien. Mit geschätzten zwei Milliarden Euro erzielen Pratos Chinesen heute fast genau den Jahresumsatz, den die Pratesi selbst verloren haben. Und eine Krise kennen die Zuwanderer nicht, im Gegenteil. 20 000 von ihnen leben legal in der Stadt, weitere 25 000 oder gar 30 000 sind illegal da, Schwarzarbeiter, die ausgebeutet werden. Das Prato ist damit zu einem Viertel chinesisch.

Fehler entdeckt, Änderungen & Ergänzungen gewünscht sowie eigene Photos zur Vervollständigung verfügbar? Bitte gerne per Mail an Michael@Kamm.info.