Historisch unscharfer Mussolini – Ausstellung L´Ultimo fascismo in Salò – 2023
Ende August besuche ich an einem regnerischen Sonntag endlich einmal das vor einigen Jahren neu eröffnete und besonders aufwändig kuratierte Museum di Salò - das MuSa. Neben Ausstellungen zur Stadt und seinen bekanntesten Bürgern wie dem Geigenbauer Gasparo da Salò, dem ehemaligen Präsidenten der Abgeordneten-Kammer Giuseppe Zanardelli sowie dem Mumien Präparator Dr. Giovan Battista Rini hat es mir besonders eine Ausstellung über den Leidensweg einer zerrissenen Nation zur Zeiten des Faschismus angetan. In dem Ort, in dem einst der italienische Diktator Mussolini seinen Regierungssitz hatte, ist im Musa seit Ende Juli eine Dauerausstellung über den Faschismus in Italien zu sehen. Der letzte Faschismus ist der Titel dieser neuen Dauerausstellung in dem vor einigen Jahren in einem historischen Areal in Salò supermodern installierten Museums MuSa. Das hatte vorab schon mit dem bulligen Profil Benito Mussolinis geworben. Doch inmitten einer international besuchten Ferienregion schien das jetzt doch zu krass. Zumal Salò als einstige Hauptstadt jener norditalienischen Restrepublik des bis 1943 in ganz Italien allmächtigen Duce ein mindestens zweischneidiges Erbe trägt. Erst recht in Zeiten einer postfaschistischen Regierung in Rom. Die MuSa-Präsentation beginnt mit dem 25. Juli 1943. An diesem Tag vor 80 Jahren wurde der Duce, wie er in Italien bis heute ohne Anführungszeichen geschrieben wird, vom nominell noch existenten italienischen König Victor Emmanuel III. als Regierungschef entlassen. Mussolinis zwar betagter, aber trickreich putschender Nachfolger Marschall Pietro Badoglio ließ den Diktator in Gewahrsam nehmen und veranlasste den Bruch der Achse zwischen Berlin und Rom. Es war - knapp zwei Jahre vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs - Italiens Seitenwechsel zu den angloamerikanischen Alliierten, die von Sizilien und Neapel aus bereits gen Rom vorrückten. Allerdings wurde Mussolini von seinem Führerfreund Hitler mit einem Kommando-Unternehmen durch Fallschirmjäger aus einem schlecht bewachten Gebirgshotel im Gran Sasso bald wieder befreit und nach Deutschland ausgeflogen. Dort lebte Mussolini mit seiner Familie ab September 1943 im Schloß meines Studienfreundes Christoph von Hirschberg ganz in der Nähe von Seeshaupt. Von hier aus sammelte Mussolini seine immer noch Getreuen um sich und rief am 18. September zunächst von München aus im Radio einen neuen norditalienischen Staat unter seiner Führung aus. Dieser dann später zwischen Salò, Gardone und Gargnano ansässige "Marionettenstaat" wird im Volksmund meist nur die „Republik von Salò“ genannt.
- Michael Kamm
Das Museo di Salo - MuSa - ist in einem ehemaligen Kloster untergebracht und bietet über 5 Stockwerke schöne Dauer- und Wechselausstellungen zu Kunst und Geschichte an
Obwohl Mussolini zunächst noch über Florenz und Venedig bis Mailand und Turin herrschte, war die neue Staatsspitze abseits der von den Alliierten bombardierten Großstädte in allerlei prunkvollen Villen und Palazzi auf knapp 20 Kilometer Ufer am südwestlichen Gardasee konzentriert. Nahe Salò liegt auch Gardone, wo Mussolini bis in die 1930er Jahre noch den verehrten Nationaldichter Gabriele D’Annunzio besucht hatte. Das heutige Jugendstil-Hotel „Laurin“ in Salò wurde dort für Mussolini, der zudem sein eigener Außenminister war, zum zweiten Amtssitz, während er im Nachbarort Gargnano samt seiner Geheimpolizei sein Chefbüro hatte und privat in der Villa Feltrinelli, heute einem Luxushotel, mit seiner Familie residierte.
In Gardone kam als Zweitwohnsitz noch ein Turm am See hinzu. Es war das Liebesnest für seine Mätresse Clara Petacci, eben dort, wo heute eine Disco mit sehr schickem, drogenaffinem Publikum reüssiert.
Manches, doch längst nicht alles erfährt man davon im Museum nun in historischen Fotos und Filmausschnitten, in Plakaten, Briefen, Dokumenten sowie im fast 400-seitigen italienisch-englischen Ausstellungskatalog. Gleich zu Beginn grüßt auch eine monumentale Marmorbüste des Duce von 1937. Wie einem antiken Gott fehlt als Tribut der Zeit ein Gesichtsteil, die Nase nämlich ist fast abgeschlagen. Das wirkt pathetisch, auch etwas grotesk, vor allem aber fragt man sich angesichts des Hinweises auf eine Privatsammlung in Brescia, wer solch einen massigen Diktatorenkopf über all die Jahre bei sich bewahrt hat. Doch diese Art Duce-Devotionalien, die bei rechten Antiquitätenhändlern auch in kleineren Kitsch- und Kultformaten, etwa als Dolche oder Tassen, sich in Italien nicht nur in Mussolinis Geburtsort Predappio finden, sie werden in der Ausstellung in Salò reichlich präsentiert. Den Kuratoren geht es darum, den „calvario“, den Leidensweg einer zerrissenen Nation darzustellen, deren Bevölkerung in diesen sechshundert Tagen Bombardements, Evakuierungen, Hunger und Schwarzmärkte zu erdulden hatte. Doch dass Mussolini längst vor 1943 und damit dem Bürgerkrieg zwischen Faschisten und Partisanen gemeinsam mit Hitler einen Weltkrieg begonnen hatte, bzw. bei Mussolinis Afrikafeldzug im Jahr 1937 etwa 700.000 Äthiopier umgebracht wurden kommt nicht zur Sprache. Täter und Opfer werden oft gleichgestellt, und man beginnt mit dem italienischen Kriegswendejahr 1943 gleichsam voraussetzungslos. Zwei Jahrzehnte Mussolini-Herrschaft zuvor, die neben der Diktatur für Italien auch eine hart durchgesetzte ökonomisch-industrielle Modernisierung gebracht hatten, sind kein Thema. Einzig die Judenverfolgung, die sich ab 1943 unter Oberaufsicht der Deutschen weiter verschärft hatte, erfährt mit einer Info-Wand ihre besondere Erwähnung. Doch die Bilder von italienischen Soldaten in deutschen Kriegsgefangenenlagern werden in Salò sehr viel emphatischer präsentiert als die Schicksale verfolgter Juden oder der gegen die Diktatur kämpfenden Partisanen. Kein Wort aber, dass sich in Gargnano nach Mussolinis Flucht und Tod Ende April 1945 in den Räumen unter seiner Büroetage in der Villa Feltrinelli an den Wänden noch das Blut von Gefolterten gefunden hat.
Im Jahr 1943 wurde auf dem Campo Imperatore, im heutigen Hotel Campo Imperatore, der gestürzte faschistische Diktator Benito Mussolini gefangen gehalten, bis er beim Unternehmen Eiche durch deutsche Fallschirmjäger, unter dem Kommando von Major Harald Mors sowie unter Beteiligung eines SS-Kommandos unter der Leitung von Otto Skorzeny, befreit und mit einem Kleinflugzeug vom Typ „Fieseler Storch“ ausgeflogen wurde, um bis April 1945 in Salò in Norditalien den Marionettenstaat der Italienischen Sozialrepublik anzuführen.
Nach wie vor hat der Duce bei den Italiener zahlreiche Fans ... das konnte man den älteren Museumsbesuchern bei ihrer Begeisterung für sein Leben ansehen
Das Museum bietet weit mehr Ausstellungsfläche an, als ich mir das immer gedacht habe
Die zeitgeschichtliche Aufarbeitung der letzten Kriegsjahre in Zeiten des italienischen Faschismus ist den Besuch wert
Mussolini erklärte in München seinen Plan in Italien wieder zur Macht zu kommen
Die uns allen bestens bekannten Zentren des damaligen Wirkens seiner Marionetten Regierung
Gasparo da Salò und Guiseppe Zanardelli fehlen als verdiente Bürger von Salò natürlich auch nicht
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