Ploucquet gibt Stoff – Antrittsbesuch in Zittau – 2010
Als ich im ersten Monat meiner Ploucquet und Sympatex Zeit auch zum ersten Mal in die Oberlausitz fuhr, war ich sehr gespannt. Gespannt auf das Ploucquet Werk, die Umgebung und natürlich auf die Menschen ganz im Osten der neuen Bundesländer. Die Schreibweise des Markennamens Ploucquet war ja - den Hugenotten geschuldet - schon recht sperrig. Bei meinem Antrittsbesuch hoffte ich auf wenig Sperriges. Ich sollte Recht behalten. Unser beträchtlich großes Werk lag in Zittau, mitten im Dreiländer-Eck von Deutschland, Polen und Tschechien. Durch den Standort schufen wir Anbindung an die wichtigen Märkte Ost-Europas und hatten in Deutschland die Region mit den geringsten Löhne erwischt. Das ursprünglich in Heidenheim an der Brenz ansässige Werk war zwei Jahre zuvor im Jahr 2008 geschlossen worden. Die Sprengung des alten Schornsteins in der Heidenheimer Stadtmitte war damals Talk of the Town und ist bis heute noch im Netz zu sehen. Nicht alle Mitarbeiter:Innen aus dem Schwäbischen traten den Weg in den fernen Osten an, wo auf dem platten Land durch Subventionen leider ein ziemlich überdimensioniertes Werk entstand. Die Pläne, aber auch die Herausforderungen waren mit meinem Antritt groß. Zuwachs an Mitarbeiter:Innen, höhere Zielvorgaben für die Produktion, die in 2004 bereits 17 Mio Meter veredelten Stoff ausspucken sollten. Es wurde erheblich in die Energieversorgung, in Technik und in das Abwassersystem investiert. In Menschen bis dato weniger. Das wollte ich ändern. Bei meinen vierteljährlichen Besuchen lernte ich bodenständige, bescheidene Menschen kennen, die ihren Job mochten und alles versuchten, den Laden am Laufen zu halten. Kein Wunder, denn sie lebten in einem abgehängten Gebiet, in dem nichts selbstverständlich war. Die direkt hinter unserem Werk liegende Braunkohle-Abbruchkante war ein immerwährendes Zeichen für die Instabilität der Region. Die Erdbewegungen hatten auch schon Auswirkungen auf unser Werk. Die große Herausforderung war das Downsizing des viel zu groß geplanten Geländes. Die laufenden Kosten - besonders die für Energie - erdrückten uns und das dagegenstehende Geschäft konnte dies auf die Dauer nicht ausgleichen. Es gab immer wieder Lichtblicke am Horizont, dauerhafte Aufträge, die uns für eine gewisse Zeit über Wasser hielten. Aber es gab auch Zeiten von Kurzarbeit und von verzweifelten Blicken. Perspektivlosigkeit, unsichere Zukunft, instabile Familienverhältnisse. Das konnte man bei den Mitarbeiter:Innen förmlich spüren, ohne daß es ausgesprochen wurde. Ich versuchte mit ruhiger Hand Zuversicht zu verbreiten, was aber nur teilweise gelang. Wenn man hunderte Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt ist, verliert man manchmal das Gefühl für die Tragweite von Entscheidungen. Ich tat mein Bestes, um die Existenz der Menschen vor Ort zu sichern. Mit dem Verkauf von Ploucquet an die in München angesiedelte Kufner Gruppe in 2016 war die Hoffnung groß, daß mehr Stabilität rein kommt. So wie es ausschaut, wurde das geschafft.
- Richard Lohner, Matthias Maier, Michael Kamm und die Ploucquet Mitarbeiter
Das sind echte Dimensionen. Tausende an Quadratmeter vollgepackt mit Technologie, riesigen Maschinen und auch ganz viel traditioneller Manufaktur
Überdimensioniertes Garn hat Parallelen zur Produktion und dem längst leeren Verwaltungsgebäude. Ploucqet hatte die angeschlagenen Textil- und Garnveredlung Zittau GmbH (TGZ) im Fokus und machte Anfang der 2000er Jahre den Kauf der TGZ auch von einer Anschubfinanzierung durch das Land Sachsen abhängig. Bei der TGZ handelt es sich um einen - gerade erst auf die grüne Wiese gebauten - sehr modernen Veredlungsbetrieb, dessen Inhaber zuvor der schillernde österreichische Unternehmer Andreas Gebauer war. Er ist zugleich Chef der Tiroler Loden GmbH gewesen. Böse Zungen behaupten, daß Gebauer nicht nur dieses Werk warm sanierte. Das Innsbrucker Unternehmen ist nämlich durch Brandstiftung abgefackelt worden. Gebauer stand mehrfach vor dem Kadi - auch später wieder bei Kneissl - und hat wohl auch bei den sächsischen Subventionen beim Bau des Standorts in Zittau in nicht für ihn bestimmte Töpfe gegriffen. Jede durch ihn gemanagte Firma erlitt bösen Schiffbruch und so gingen auch die damals 250 Mitarbeiter aus einer schwierigen Phase an Ploucquet über.
Der Parkplatz glich dem einer riesigen Mall. Er war meist sehr übersichtlich belegt, zumal wir rund um die Uhr und dadurch auch in mehreren Schichten arbeiteten
Diese Edelkarrossen aus dem Schwäbischen waren hier früher sicher häufiger ... in unserer Zeit selten bis gar nicht gesehen. In diesem unglücklichen Fall hatte unser Leihwagenpartner in Dresden einfach nichts anderes da ... und so versteckten wir das gute Teil in einem nicht einsehbaren Bereich hinter dem leeren Bürogebäude. Man beachte bitte meine braune Aktentasche und meinen schwarzen Aktenkoffer ... beide aus dem Aigner Top Sortiment stammend
Grosse, verspiegelte Glasfronten am Eingang haben Licht reingelassen und Eindruck gemacht. Wie so oft siehts aber hinter der Fassade anders aus ... gähnende Leere
Mein eng vertrauter Geschäftsführerkollege Richard Lohner kommt aus der Finanzbuchhaltungsabteilung raus und ist dennoch bester Laune
Matthias Maier - unser schwäbischer Werksleiter. Er zog mit Sack, Pack und Familie nach Zittau und hatte - neben seinem Hauptjob bei Ploucquet - auch noch eine zweite Herausforderung. Er sanierte eine völlig runtergekommene, aber wunderschöne Villa im Herzen von Zittau
Werner Triller .... fränkisches Urgestein aus Hof und langjähriger Chef der Zahlen
Unser sehr gemütlicher Controller Kay Steinborn .... ich habe seine süffisante Art durchaus geschätzt
Thomas Dörfler und seine Kollegin vom Bereich Tection
Corinna Neumann ... eine für mich enge und besonders liebenswerte Kollegin ... junge Mutter und die Chefin der Nachhaltigkeit bei Ploucquet
Thomas Mayfarth aus der Produktion .... immer vorne mit dabei
Gleiches galt für Christian Reinsch ... ein erfahrener und immer mit bzw. voraus denkender Kollege
Ich hatte ein Faible für Besuche im Labor und in der Qualitätssicherung mit unseren vielen Testmaschinen
Wie es schon draufsteht! Achtung Quetschgefahr. Die Apparaturen in unserem zertifizierten Labor sahen zwar old fashioned aus, waren aber die Klassiker zum Testen von Scheuertouren, Wasserdichtigkeit und vielem mehr
Eine kleine Testanlage zum Laminieren
Bei unseren netten Damen aus dem Labor Umfeld drängte sich immer der begründete Verdacht auf, daß alle drei aus einem ehemaligen DDR Kombinat mit Planwirtschaft stammten ... sehr engagierte Kolleginnen
Was erfasst werden muss ... wird erfasst ... Daten ohne Ende ... unser Labor war multikulti und arbeitete mehr für Sympatex als für Ploucquet und war dafür leider am falschen Standort. Allein zum Hin- und Hertransport der Warenmuster hätten wir einen Lieferwagen mit eigenem Fahrer einsetzen können
Textile Rollen soweit das Auge reicht. Unser Fertig- und Rohwarenlager konnte sich sehen lassen. Die zunächst naturfarbenen Stoffrollen wurden in riesige Maschinen eingespannt und je nach Bedarf und Einsatz veredelt .... die meisten kamen in einer ganz anderen Farbe hinter wieder raus
Unsere Ladies von der Endkontrolle ... über die Lampen und Lupen ihrer Testmaschinen liefen täglich zehntausende Meter textiles Material ... nie Beanstandungen ... Zittau lieferte perfekte Ware und die Damen waren gerne zu einem motivierenden Schwätzchen bereit
Das galt auch für unsere Maschinenführer .... von den meisten kannte ich den Werdegang und ihre Familiengeschichten, da ich meine Zeit in der Produktionshalle vorwiegend mit Mitarbeitergesprächen verbrachte
Die Kernstadt Zittau liegt im Zittauer Becken am Fuße des Zittauer Gebirges auf 230 m bis 285 m Höhe über NN. Nordwestlich schließt sich das Oberlausitzer Bergland an. Südöstlich geht die Beckenlandschaft in das Tal der Lausitzer Neiße (Lužická Nisa) in Tschechien über. Östlich erheben sich hügelige Ausläufer des Isergebirges. Durch die Stadt fließt der kleine Fluss Mandau, der unweit in die Lausitzer Neiße mündet. Diese bildet die Grenze des Zittauer Stadtgebiets im Osten zu Polen und entwässert das Zittauer Becken. Am südwestlichen Stadtrand grenzt die Stadt an den in der Nachbargemeinde liegenden Olbersdorfer See.
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