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Selbst Stanford kann mal irren – Tabula Rasa in heftigen Zeiten bei der Mistral Sports Group – 1995

Am Di., 2. Mai 1995

Im Jahr 1995 wurde es in unserem weltweit rückläufigen Wassersport-Business langsam ungemütlich. Der Markt war durch zahlreiche Anbieter, die sich preislich ständig unterboten völlig übersättigt und mit Ware überschwemmt. Zudem wandten sich große Teile der Surf Fraktion dem universelleren und noch ganz neuen Sport Mountain Biking zu. Michi und ich hatten unsere Anteile an der North Sails Surf Group im Dezember 1994 glücklicherweise noch zu einem optimalen Zeitpunkt an den Kaffee- und Schoko-König Klaus Jacobs veräussert. Das war damals unsere ganz persönliche "Krönung" - auch ohne Karin Sommer. Die Losung von Stanford-Absolvent Klaus für die Mistral Sports Group, die ich nach den üblich turbulenten Merger Monaten der Mistral und North Sails Kulturen - und den mehrheitlich dramatischen Abgängen der eigentlich "übernehmenden" Mistral Geschäftsführer Rainer Ramelsberger, Jean-Pierre Pedrazzini und Dieter Grabow - dann als Geschäftsführer leitete, war eindeutig. Damals war ein stablies Nervenkostüm oder blindes Vertrauen - was nur Michi und ich hatten - gefragt. Personal abbauen und neue Brands so schnell übernehmen, wie es geht. Denn die 20 Mio Franken, die man in Mistral investiert hatte, mussten ja irgendwie wieder durch Mehrumsatz erwirtschaftet werden. Im KJJ Headquarter in Zürich glaubte man an eine Monopolstellung im Windsurfing-Markt durch ungestümen Zukauf von Wettbewerbern und einer entsprechenden Konsolidierung unter dem Dach der North Sails Holding, die wir im Sommer 1995 in Mistral Sports Group umfirmierten.

Mit dabei
  • Michael Kamm

Unser Penzberger Headquarter im Frühjahrs-Schnee. In einer heftigen Zeit hat er uns wohl einen kühlen Kopf beschert

Die Boardproduktion sowie die weltweiten Vertriebsrechte von Fritzmeier und der M1 Sporttechnik waren schon im Sack, wobei Fritzmeier bereits 1926 als Sattlereibetrieb startete und mit den Jahren stark in die unterschiedlichsten Bereiche diversifizierte. In den 70ern stand das Thema Kunststoff-Composites ganz vorne auf der Agenda. Surfbretter und Ski wurden ab da in Hinrichssegen im großen Werk produziert. Jeder kennt die Geschichte der Gold-Rosi, die auf Vollkunststoff Skiern aus dem Hause Fritzmeier 1976 3-fach vergoldet nach Hause fahren durfte. 1990 wurde aus den eigenen Fritzmeier Reihen heraus die M1 Sporttechnik gegründet, die sich mit innovativer Werkstofftechnik wie Carbon beschäftigte. Im Kaufrausch ging es ungebremst weiter. Jetzt waren F2, ART und Fanatic im Visier. Die Jungs in den companies waren alle "addicted to ride", während wir addicted to buy waren. Michi und ich waren von dieser Strategie wenig überzeugt, denn die Steuerung der vielen unterschiedlichen Companies und Standorte wurde zunehmend chaotisch und völlig ineffizient. Wir mussten uns wieder konzentrieren und das taten wir natürlich auch für unsere langjährigen und extrem loyalen Partner wie Tom Whidden von der North Sails Group und unserem italienischen Freund Dr. Leopoldo Poppi von Tomasoni Topsails. An ihn verkauften wir auch unsere North Sails Surf Lifestyle Sparte, die er zu einer soliden Brand aufbaute. Im Mai versammelten wir unser Management Team in Marbach und Penzberg zu Assessment Meetings und räumten danach auf. Nach dem klärenden Kehraus der Mistral Management Truppe waren wir noch 2/3 der Truppe. Es hatte sich gelohnt, denn es funktionierte auch so und wir sahen wieder einen Lichtstreif am Horizont ...

Idyllischer kann man eigentlich nicht arbeiten. International unterwegs sein und zum Aufarbeiten und der Ablage wieder zurück ins beschauliche Penzberg im Bayerischen Oberland. Noch besser, wenn man zudem privat nur 10 Minuten entfernt in Seeshaupt am Starnbergersee direkt am Wasser wohnt. Das hat uns immer geerdet

Und zur guten bayerischen Gepflogenheit gehört natürlich die Fahne im Vorgarten. Diesmal war es ein Kraftakt, sie hochzuhalten, denn die stürmischen Zeiten hatten ihr zugesetzt

Nichts gegen Penzberg - aber mit Rapallo an der herrlichen ligurischen Küste kann es dann doch nicht mithalten. Michi und ich mit Leo Poppi und Tom Whidden geniessen die Event-Atmosphäre ... beides sind bis heute langjährige gute Buddies

Unser damaliges internationales Mistral Sports Group Team mit Christophe Hamon, David Johnson, Yola Bichler, Ernstfried Prade, Christian Ewert, Ingrid Genau, den Brüdern Damith, Rainer Ramelsberger, Dieter Grabow, Ivor Hopkins, Rudi Müller, Angelika Carl, Charly Marschner, Thomas Scheck und einigen anderen

Nach dem Abitur am Hermann-Böse-Gymnasium in Bremen studierte Jacobs an der Stanford University. Anschließend war er in der Kaffee- und Schokoladenindustrie tätig, mehrere Jahre in Mittelamerika. 1961 trat er als Direktor für Einkauf und Marketing bei der Joh. Jacobs & Co. ein. Im Jahr 1970 übernahm Jacobs die Geschäftsführung des Kaffeehandelshauses Joh. Jacobs + Co., das sein Großonkel Johann Jacobs in der Bremer Altstadt gegründet hatte und das heute zu Jacobs Douwe Egberts gehört. 1973 verlegte er den Sitz des Handelshauses nach Zürich und übernahm 1982 die Schweizer Interfood mit den Firmen Tobler und Suchard (heute Teil von Mondelēz International). 1984 legte er eine Kunstsammlung an, die er als Jacobs Suchard Museum in Zürich der Öffentlichkeit zugänglich machte, diese umfasste ua. Kunstwerke von Georges Braque, George Grosz, Max Schlichting und Lesser Ury. KJJ, wie Klaus J. Jacobs in Kurzform von seinen Freunden und Angestellten genannt wurde, wurde Schweizer und vertrat als Kadermitglied die Schweizer Nationalmannschaft als Dressurreiter. 1990 verkaufte er die Jacobs Suchard AG an das Unternehmen Altria, da er seiner Darstellung nach seine Geschwister auszahlen musste. Jacobs wagte darauf einen Neuanfang mit aus der Konkursmasse von Werner K. Rey erworbenen Firmen. Nach mehreren Fusionen, insbesondere zwischen der Adia Interim (Klaus J. Jacobs) und der französischen Ecco (Philippe Foriel-Destezet) entstand daraus die Firma Adecco SA (Zeitarbeit). Zudem gehörten Jacobs noch als „Überbleibsel“ aus dem Jacobs-Suchard-Verkauf an Philip Morris die Firma Barry Callebaut (Herstellung von Rohschokolade / Industrieschokolade). Die diversen Beteiligungen (u. a. Infront) werden inzwischen von der Jacobs Holding AG mit Sitz in Zürich verwaltet. Eigentlich wollte sich Jacobs an seinem 65. Geburtstag aus dem Geschäftsleben zurückziehen und auf seiner Pferdefarm (Newsells Park Stud) in der Nähe von Oxford, England, zur Ruhe setzen (das Gestüt Fährhof, von seinem Vater Walther J. Jacobs aufgebaut, gehört ebenfalls der Familie Jacobs). Zwischenzeitlich stand er jedoch wieder an der Spitze von Adecco, nachdem es im Verwaltungsrat von Adecco Meinungsverschiedenheiten mit seinem Geschäftspartner Philippe Foriel-Destezet gegeben hatte. Klaus war ein charismatischer Owner, mit dem ich auch privat eine tolle Zeit geniessen durfte. Viel zu früh starb er im Alter von 71 Jahren an einem Hirntumor.

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