Transformationsversuch Indigo – Analyse, Strategie und Business Planung – 2009
Im Februar 2009 habe ich mich das erste Mal intensiv mit den beiden Indigo Gründern Torsten Schwabe und Gregor Baer sowie deren Marketingleiter Ulli Höcker im ehemaligen Büro in Neuhausen zusammen gesetzt, um die dringend notwendige Transformation der Marke zu diskutieren. Die formulierten Vorschläge wurden jedoch nicht umgesetzt. Die im bayerischen Unterföhring beheimatete Schwabe & Baer Entwicklungs-Gesellschaft mbH produziert seit Jahren Ski und Snowboards und vertreibt auch dazu gehörige Accessoires wie Helme, Brillen, usw. Nun erreicht uns die Mitteilung, dass die Firma am 14. April 2020 beim Amtsgericht München Insolvenz beantragt hat und das Unternehmen soll unter Aufsicht einer Kanzlei saniert werden, damit ein neuer Investor gefunden werden kann. Das Unternehmen entwickelt, fertigt und vertreibt insbesondere unter ihrer Luxus-Eigenmarke „INDIGO“ sowie in Lizenz des Modeunternehmens „Bogner“ hochwertige Wintersport- Artikel wie Ski, Skistöcke, Snowboards, Skihelme und -brillen. Darüber hinaus fertigt und vertreibt das Unternehmen im Rahmen entsprechender Lizenzverträge Ski- und Fahrrad-Helme sowie Sport-Brillen für die Mode- und Sportmarken „O’Neill“, „St. Moritz“ sowie zuletzt noch für den FC Bayern München. Die Entwicklungs-Gesellschaft wurde 2003 gegründet und hat ihren Sitz in Unterföhring bei München. Wir haben uns direkt nach dem Insolvenzantrag ein Bild von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens machen können. Hierbei wurden bereits intensive Gespräche mit der Geschäftsleitung zu aktuell anstehenden Maßnahmen geführt. Auch wenn wir erst am Anfang des Insolvenzverfahrens stehen, so sehe ich gute Chancen für eine erfolgreiche Sanierung des Unternehmens“, erklärt der vorläufige Insolvenzverwalter Rolf G. Pohlmann. Dabei sei es „erfreulich“, so Pohlmann, dass INDIGO frühzeitig einen Insolvenzantrag gestellt habe. So bleibe Zeit, um alle Sanierungsmöglichkeiten auszuloten. Aufgrund des großen Knowhows der Gründer und Geschaäftsführer, der gewachsenen Kundenbeziehungen und der besonderen Marktstellung von INDIGO sieht Pohlmann derzeit die Sanierungsaussichten optimistisch.
- Ulli Höcker, Torsten Schwabe, Gregor Baer, Michael Kamm
Eine der Ursachen für die Insolvenz waren nach Einschätzungen der Geschäftsführung die unzureichenden Einnahmen aus dem Geschäft mit lizensierten Produkten im sog. Mittelpreissegment. Den hohen Investitionskosten standen entgegen der ersten Erwartungen letztlich keine entsprechenden Umsätze gegenüber. In diesem Winter kamen die Auswirkungen der Corona-Krise mit der deutlich verkürzten Ski-Saison hinzu, die den Absatz weiter einbrechen ließen. In den vergangenen Jahren hatte INDIGO mit Nachordern noch erhebliches Geschäft realisiert. Trotz der Beantragung von Kurzarbeit war der Insolvenzantrag daher nicht zu vermeiden.
Konzentration auf Eigenmarke und die Kooperation mit Bogner „INDIGO wird sich im Rahmen des Sanierungskonzeptes vorrangig wieder auf die Kooperation mit Bogner und die Stärkung der eigenen Marke konzentrieren“, erklären die beiden Geschäftsführer Schwabe und Baer. Bei der ISPO 2020 in München hat das Unternehmen bereits ein innovatives neues Helm-Konzept vorgestellt, das in der Fachwelt für großes Aufsehen sorgte. „Diese Eigenentwicklung werden wir mit Nachdruck weiter vorantreiben. Der neue Helm könnte in einer abgewandelten Form auch als E-Bike- und Bikehelm vertrieben werden“. Welche Fehler hat das Unternehmen in der Vergangenheit gemacht? Es scheint im Moment einfach, alles was schief läuft, auf die Corona-Krise zu schieben, doch es sind ja auch nicht alle Firmen in der Branche davon betroffen, also muss das Unternehmen auch selbst Fehler gemacht haben.
Welche sind das? Davon ist leider nichts zu hören. Es fragt sich, ob die Fokussierung auf das Luxussegment das Richtige ist. Auch andere Skimarken wie Lacroix und Zai sind deshalb in Schwierigkeiten geraten. Und auch im Marketing scheint mir die Firma Fehler gemacht zu haben. Lieber arbeitete die Firma mit Magazinen wie Playboy statt mit Portalen für Ski und Snowboards zusammen, obwohl genau solche Portale echte Kaufinteressenten haben im Unterschied zu Unterhaltungs- und Erotikmagazinen. Wenn die Leute im Management wieder etwas praxisnaher wären und sich an Ihre Zielgruppe pragmatisch und modern richten würden, wäre der Erfolg wahrscheinlich grösser, die Bekanntheit und Popularität als auch der Verkauf besser. Auch von Social Medien scheint die Firma noch weit entfernt zu sein, Null Beiträge auf Instagram, Facebook haben wir nicht gefunden, und auch die Homepage wird offensichtlich wenig beachtet, die Bewertungsplattform alexa.com, die zu Amazon gehört, hat die Website noch nicht einmal im Ranking, das ist wirklich eine Katastrophe. Vielleicht sollten auch etwas jüngere Leute im Marketing ans Ruder. Ich denke, die Firma büsst nun auch Versäumnisse der Vergangenheit, die raschmöglichst behoben werden sollten, will die exklusive Ski- und Snowboardmarke langfristig eine echte Chance haben, erfolgreich zu sein.
Fehler entdeckt, Änderungen & Ergänzungen gewünscht sowie eigene Photos zur Vervollständigung verfügbar? Bitte gerne per Mail an Michael@Kamm.info.