Pit Stop am Vittoriale – Aufwartung bei Gabriele d´Annunzio in Gardone-Sopra – 2023
Während Annette eine Geschäftsreise zu einem Pomellato Event in Bremen unternimmt hüte ich Haus + Hund in Gardone. Bei einer Fahrt mit der Vespa zum Einkaufen komme ich - wie so oft - in Gardone-Sopra am Eingang zum Vittoriale vorbei und entscheide mich spontan für einen Kulturstop, um dieser besonderen italienischen Gedenkstätte nach vielen Jahren wieder einmal einen Besuch abzustatten. Der Vittoriale degli italiani – was übersetzt Siegesdenkmal der Italiener bedeutet - ist ein Museumskomplex sowie der ehemalige Wohnsitz des italienischen Schriftstellers Gabriele D’Annunzio (1863–1938), der das Anwesen ab 1921 unter der Gesamtleitung des Architekten Giancarlo Maroni gestalten ließ. Das Gelände umfasst neun Hektar und besteht neben den Gebäuden und einem Freilichttheater aus Gärten, Parks, Plätzen und Wasserläufen. Jährlich besuchen etwa 300.000 Gäste den Vittoriale. Abgesehen von politisch-historischen Implikationen ist die weitläufige Anlage zweifellos eindrucksvoll durch ihre Größe und ein deutliches Zeugnis über den exaltierten Dichter Gabriele D’Annunzio. Die mit unzähligen symbolträchtigen Dekorations- und Erinnerungsstücken angefüllte Villa atmet noch den Geist des Symbolismus und des Fin-de-Siècle, auch wenn einzelne Objekte durch ihren Stil oder ihren militärisch-technischen Charakter deutlich dem 20. Jahrhundert angehören. Sie steht in der Tradition der Villen anderer Künstler-Fürsten wie Richard Wagner, Franz von Lenbach oder Franz von Stuck. Die Frage, ob das Kunst oder Kitsch sei, wurde unter dem Einfluss der künstlerischen und architektonischen Moderne lange Zeit im Sinne des Kitsches beantwortet. Erst seit einigen Jahrzehnten erfährt die Kunst des späten 19. Jahrhunderts mehr Wertschätzung. Nun ist die Villa so etwas wie ein spätes Neuschwanstein des Gardasees, teils bewundert wegen des Ausstattungsluxus, teils Monstrosität aus fernen Zeiten. Andere Teile des Baukomplexes sprechen eine andere künstlerische Sprache. Insbesondere das Freilichttheater und das Mausoleum, beide später als die Villa entstanden, stehen den marmornen Monumental-Bauten aus der Zeit des Faschismus näher. Ab dem 1. Februar 1921 mietete D’Annunzio die ehemalige Villa des deutschen Kunsthistorikers Henry Thode in Cargnacco, einem Ortsteil Gardone Rivieras. Das Anwesen war von der italienischen Regierung nach dem ersten Weltkrieg als Feindgut beschlagnahmt worden. Zwei Monate später, im April 1921, empfing er dort erstmals den italienischen Politiker und späteren faschistischen Diktator Benito Mussolini. Ende Oktober erwarb er das Anwesen und beauftragte den Architekten Giancarlo Maroni aus Riva del Garda mit dem Umbau der Villa. Am 22. Dezember 1923 vermachte er den Vittoriale in einer Schenkungsurkunde dem italienischen Volk und stattete das Anwesen mit zahlreichen militärischen Ausstellungsstücke aus. Unter anderem waren dies das Flugzeug des Typs Ansaldo S.V.A. 10, mit dem D’Annunzio gegen Ende des Ersten Weltkriegs am Flug über Wien teilnahm, ein Torpedoboot, das Vorschiff des Panzerkreuzers Puglia und ein Wasserflugzeug des Typs SIAI S.16.
- Michael Kamm
D’Annunzio erwarb die in der Nähe der Prioria gelegene Villa Mirabella sowie das ehemalige Hotel Washington. Das Gelände wurde um ein kleines Hafenbecken mit dazugehörendem Turm - der heutige Club des Torre - sowie die Anlage Portico del Parente erweitert. Auch die Prioria wurde weiter ausgebaut. Im Juni 1926 wurde ein Institut zur Herausgabe der gesammelten Werke des Dichters gegründet und D’Annunzio erhielt zehn Millionen Lire, womit er den weiteren Ausbau des Vittoriale finanzierte.
1930 wurde das Gelände auf seine heutige Größe von neun Hektar erweitert. Bis zu seinem Tod im Jahr 1938 entwickelte D’Annunzio gemeinsam mit seinem Architekten Maroni weitere Pläne, die teilweise erst nach seinem Tod umgesetzt wurden. Das Freilichttheater wurde 1953 fertiggestellt, das Mausoleum 1955 und das Kriegsmuseum im Juni 2000.
Die ersten Ideen D’Annunzios zum Bau eines Freilichttheaters gehen auf das Jahr 1927 zurück. 1931 unternahm Maroni zusammen mit Renato Brozzi eine Studienreise nach Pompeji und entwarf bis 1938 die Pläne für das von D’Annunzio so genannte Parlaggio, das dem römischen Amphitheater von Pompeii und dem antiken Theater von Taormina nachempfunden ist. Es wurde 1953 fertiggestellt und bietet Platz für 1500 Zuschauer. Jährlich finden hier zahlreiche Aufführungen der unterschiedlichsten Art statt.
Das Gebäude, La Prioria genannt, war ursprünglich die Villa des Kunsthistorikers Henry Thode. D’Annunzio erwarb es einschließlich Inventar – unter anderem einer 6.000 Bände umfassenden Bibliothek, Bildern von Franz von Lenbach sowie einem Steinway-Flügel von Franz Liszt. Er liess das Haus in der Zeit von 1921 bis 1938 ständig weiter ausbauen und erweitern. Die Prioria war bis zu seinem Tod der Wohnsitz D’Annunzios. Der Charakter der Villa wurde dabei komplett verändert.
Die Puglia war ein leichter Kreuzer der italienischen Marine, den D’Annunzio 1923 von Mussolini als Geschenk erhielt. Das Vorschiff der Puglia wurde auf 20 Eisenbahnwaggons verteilt angeliefert und bis 1925 unter Leitung von Silla G. Fortunato auf dem La Fida genannten Hang aufgestellt. Das Torpedoboot MAS-96 der italienischen Marine war von D’Annunzio in der Nacht vom 10. auf den 11. Februar 1918 beim Kommandounternehmen gegen den österreich-ungarischen Marinestützpunkt im kroatischen Bakar benutzt worden. Wie die Puglia war es ein Geschenk Mussolinis und traf 1923 im Vittoriale ein. Heute steht es in einer Halle, die 1942 von Maroni entworfen und 1958 fertiggestellt wurde.
Ein Jahr nach D’Annunzios Tod entwarf Maroni 1939 die Pläne für das Mausoleum, das 1955 auf einer Anhöhe des Vittoriale errichtet wurde. Es lehnt sich stilistisch an etruskisch-römische Grabstätten an und greift mit seinen drei konzentrischen, übereinander liegenden Steinrampen Motive aus Dante Alighieris Göttlicher Komödie auf: Den Sieg der Demütigen, der Künstler und der Helden. Die dort aufgestellten spätantiken Sarkophage enthalten die sterblichen Überreste der von D’Annunzio so genannten „Helden von Fiume“. Dazu gehören Ernesto Cabruna, Guido Keller und Giuseppe Piffer. Der Sarkophag D’Annunzios steht auf vier Säulen in der Mitte der obersten Plattform.
Das Kriegsmuseum wurde im Juni 2000 eröffnet und im Juli 2001 um zusätzliche Räume erweitert. Es beinhaltet vor allem Gegenstände, die mit D’Annunzios Kriegserfahrungen verbunden sind, wie beispielsweise sein Propagandaflug am 9. August 1918 über Wien kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs, seine Einsätze über Julisch Venetien, Istrien und Dalmatien und die Besetzung der kroatischen Adriastadt Fiume.
Die immensen Ausmaße der eindrucksvollen Villa nimmt man erst wirklich wahr, wenn man das Vittoriale selber besucht. Zwar fahren wir täglich an dem großem Grundstück vorbei, da es auf dem Weg zu unserem Ferienhaus in der Via Panoramica liegt. Duch die hohe Mauer, welche das Anwesen umgibt sieht man jedoch von den Innereien von aussen wenig
Von der Piazza vor der Villa und den südlichen Fenstern des Hauses geniesst man einen wunderbaren Blick auf den Gardasee
Auch die Wasserfälle und der Bachlauf zwischen der Villa und dem Panzerkreuzer sind sehenswert
Jede Menge Kriegsausrüstung wurde durch Gabriele d´Annunzio im Vittoriale zusammen getragen
Ich hatte an diesem Tag das Glück in einer kleinen Zweiergruppe - mit mir war eine Kunst historisch umfassend gebildete ältere Dame aus Bagdad auf der Tour - und einem extrem kompetenten Führer und studierten D´Annunzio Experten namens Davide unterwegs zu sein
Mit Senioren Ermäßigung war der ganze Spaß für 14 Euro zu haben
Vom Bug des Panzerkreuzers Puglia aus konnte ich während meines Besuchs unsere Freunde Heike und Charlie Hornberger beim Aufbauen ihrer großen Sonnenschirm auf ihrer Terrasse beobachten
Fehler entdeckt, Änderungen & Ergänzungen gewünscht sowie eigene Photos zur Vervollständigung verfügbar? Bitte gerne per Mail an Michael@Kamm.info.